Geschichtsklitterung ist angesagt – der ewig fordernde Andrij Melnyk, der als Diplomat aus der Bundesrepublik abgezogen worden war, versucht sich als Historiker dahingehend, dass er Stepan Bandera reinwaschen will. Doch das Waschmittel ist dann doch ein Rohrkrepierer, denn historische Fakten sollten bleiben was sie sind: Fakten.
Zur Orientierung: Bandera (1909-1959) wird noch heute im westlichen Teil der Ukraine als Nationalheld gefeiert, der also nach Melnyks Worten „kein Massenmörder von Juden und Polen“ gewesen ist, während man im Osten der Ukraine seine Taten während des Zweiten Weltkriegs verurteilt. Immerhin hat es Bandera 2009 zu seinem 100sten Geburtstag auf eine ukrainische Briefmarke geschafft. Ein Argument Putins für seine Spezialoperation ist auch, dass man die Ukraine von den Faschisten befreien müsse.
Wer war dieser Stepan Bandera? 1934 ermordet er den polnischen Innenminister Bronisław Pieracki und wird in Polen interniert. Er tötet für die OUN (Organisation Ukrainischer Nationalisten) – oder bereits als deren Co-Führer. Man muss wissen, dass nach den Wirren des Ersten Weltkrieges 38% der polnischen [sic!] Bevölkerung nun ausländischen (!) Minderheiten zuzurechnen sind. Und die Polen gingen mit diesen nicht unbedingt zimperlich um: Deutsche, Juden, Ukrainer. Nach dem Einmarsch der Deutschen in Polen im September 1939 kommt Bandera frei; er arrangiert sich mit den Deutschen und übernimmt in Lemberg Polizeigewalt. In Pogromen werden nun Juden verhaftet und massenweise ermordet. Bandera: „nicht nur Hunderte, sondern Tausende Menschenleben müssen geopfert werden, damit die OUN ihre Ziele realisieren und ein ukrainischer Staat entstehen kann“. Seine Massengewalt beziehungsweise die ‚Säuberung‘ der Ukraine von Juden, Polen, Russen und anderen ‚Feinden‘ der Organisation ist ein zentraler Bestandteil seiner Ziele. – Als andere OUN-Mitglieder 1941 einen eigenen Staat ausrufen, wird Bandera von der Gestapo verhaftet und ins KZ Sachsenhausen als Ehrenhäftling überstellt. Nach dem Zweiten Weltkrieg flüchtet er als Stefan Popel in den Westen; er wird in Abwesenheit in der Sowjetunion zum Tode verurteilt und 1959 von einem KGB-Agenten in München ermordet.
An dieser Stelle sei angemerkt, dass jeder in Deutschland oder Österreich mit beiden Füssen im Gefängnis steht, wenn er Nationalsozialisten als Freiheitskämpfer titulieren oder die Opfer sozusagen als Kollateralschaden in der Entstehungsgeschichte eines Staates bezeichnen würde. Es waren Verbrechen und jene, die sie durchgeführt haben, Verbrecher. Es gibt nicht zu beschönigen, zu relativieren oder zu verharmlosen. Focus berichtet in Sachen Bandera von einer Grössenordnung von 800.000 Juden, die den Verbrechern zum Opfer gefallen sind. Anlässlich der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse wollten polnische und jüdische Kreise Stepan Bandera vorgeladen haben, man hat es nicht getan und heute kann man nachlesen, dass es folgende Aussage (Nachrichtendienst der Wehrmacht) vom 11.2.1946 nachmittags (56. Tag) gab: „…hatte ich mit den im Dienste der deutschen Abwehr stehenden ukrainischen Nationalisten Fühlung und mit Angehörigen anderer national-faschistischer Gruppen Verbindung aufgenommen. Ich hatte unter anderem persönlich den Anführern der ukrainischen Nationalisten – Melnyk (Deckname, ›Konsul I‹) und Bandera [Deckname ›Konsul II‹ Anm.] – die Weisung gegeben…“
Nun finden wir hier den Namen Melnyk, Andrij Melnyk (1890-1964), der vom deutschen Nachrichtendienst als Konsul II geführt wurde. Er arbeitet eng mit Bandera zusammen, die beiden trennen sich erst, als Melnyk entschied eine galizische Division aufzustellen, um gegen die Russen zu kämpfen. Allerdings ereilt ihn ein ähnliches Schicksal wie Bandera: 1941, nach dem Angriff der Deutschen auf die Sowjetunion, kommt er unter Hausarrest, dann ins KZ Sachsenhausen, später wird er ins Hotel Ifen, Hirschegg, ins Kleine Walsertal (Vorarlberg, Österreich) verbracht, wo schon andere Prominente festgesetzt sind; im Mai 1945 wird er von den Franzosen befreit und er lebt fortan in Luxemburg, bis er 1964 in einem Spital in Köln stirbt. Er ist Mitbegründer der OUN (1929 in Wien), deren Vorsitzender er seit 1938 war.
Wohl eine andere Geschichte wäre, wer die anderen Prominenten im Hotel Ifen waren und vor allem, wie es einem Kriegsverbrecher möglich war, fast 20 Jahre unbehelligt in Luxemburg zu leben. Und eine letzte Frage bleibt: Ist Andrij Melnyk (*1890) mit Andrij Melnyk (*1975) verwandt? Wobei Kinder oder Enkel nicht für ihre Eltern haften. Aber wenn die Verwandtschaft so wäre, würde dem allem ein Geruch anhaften, meint
der Brandstetter
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