Warnhinweis

Clemens M. Brandstetter

Weniger auf Grund eigener Erfahrungen, will ich hier einen Warnhinweis für Eigentümer, Beschenkte und Erben von Briefmarken-Sammlungen deponieren.

Der FOCUS (Nr. 17/2013, S. 62) zitierte 2013 BPP-Präsident Christian Geigle, seines Zeichens auch namhafter Briefmarken-Versandhändler, mit der Aussage: „Viele Halbseidene sind unter Deutschlands Briefmarkenhändlern zu finden…“ Unter den 100 bedeutendsten arbeitet laut Geigle nur jeder Zehnte wirklich seriös. Schummeln & Betrügen gehört offenbar zum Geschäft. Aufgeschreckt hatte mich ein weiterer Beitrag auf einer Konsumentenseite in testberichte.de (siehe auch die Fussnote *).

Darin geht es im Grossen und Ganzen darum, was man tun (oder unterlassen) soll, wenn man aus fast heiterem Himmel zu einer Briefmarkensammlung gekommen ist, etwa durch Erben oder Schenkung.

Man glaubt es kaum, aber auch heute noch findet sich unter viel „Altpapier“ das eine oder andere gute Stück, das rasch einmal ein paar Hundert oder unter Umständen Tausend €uro Sammler-Wert hat. Als Unbedarfter hat man  nicht wirklich viel Ahnung, was diese kleinen Kunstwerke aus Papier wert sind. Meine Empfehlung: Sammeln Sie doch selber mit dem zufällig erhaltenen Grundstock weiter. Man kann wirklich viel Freude mit Marken haben – siehe Fussnote **). Falls Sie die Marken dennoch zu Geld machen wollen oder müssen, dann informieren Sie sich zunächst selbst: auf Ebay oder Delcampe bekommt man ungefähre Marktpreise, was das winzige Papierviereck wert sein könnte, wenn man es einzeln anbieten würde. Ob es dann tatsächlich gekauft wird, weiss man nicht. In Katalogen kann man „seine“ Marken finden samt einem „Katalog-Wert“, der nicht als Kaufwert in €uro zu verstehen ist. Bekannteste Firmen für Kataloge ist Michel in Deutschland [alle Länder dieser Welt] oder der Austria-Netto-Katalog (A, D, CH, FL) – siehe Fussnote ***). Briefmarken-Foren im Internet sind eine weitere Hilfe.

Will man sich Hilfe „persönlich“ holen, gibt es mehrere Wege: Vertreter von Auktionshäusern kann man unverbindlich auf Grossveranstaltungen aufsuchen und sich dort vor Ort beraten lassen. Es gibt Treffen von Briefmarken-Sammlern in fast jeder Grossstadt, wo mitunter Briefmarken-Händler zugegen sind. In fast allen Städten gibt es einen Briefmarken-Verein, der sich wöchentlich oder monatlich trifft. Hier kann man seine Schätze zeigen und eine grobe Bewertung oder Tipps zum Weitersammeln erhalten. Wie beim Onkel Doktor [dessen Absichten mitunter auf unsere Geldtasche abzielen] sollte man auf jeden Fall eine Zweitmeinung einholen.

 


Weitere Hinweise: lagern Sie Alben in trockenen Räumen, Briefmarken haben im Keller oder in Garagen nichts verloren. Die Alben sollten stehen und gelegentlich durchgeblättert werden. Schneiden Sie keine Marken aus Kuverts, lösen Sie keine Briefmarken von Briefen oder Karten ab – sie zerstören damit mitunter einen wertvollen (historischen) Beleg, denn auch Stempel, Absender oder Empfänger haben ihren Wert. Brief- und Kartenbelege sollen lose in Kartons (leere Schuhschachteln) oder in möglichst weichmacherfreien Kunststoff-Folien gelagert werden. Je dünner die Folie umso geringer der Schutz!

Hier noch ein bemerkenswerter Artikel über Nepp und Bauernfängerei in der Philatelie von Lars Böttger. 

 



Fussnote:

*) Dem Verfasser dieser Zeilen ist in jungen Jahren von einem Klassenkameraden eine Marke gemopst worden; unter Gewalt-Androhung kam das Papierchen wieder ins Album. Einem Kollegen des Verfassers wurde bei einem Besuch in einem Briefmarkenverein ein ganzes Album gestohlen. Um 2014 stahl ein „Jemand“ anlässlich einer Vereinsauktion aus einem Album die teuersten Liechtenstein-Marken. Organisierte Diebstähle ereignen sich auf Veranstaltungen. Es gibt auch diesbezüglich makabere Zeitungsmeldungen, hier, hier und hier

**) „Das Sammeln von Briefmarken war ein Hobby, das Generationen von Jugendlichen und Erwachsenen mit Geographie, politischer Geschichte und graphischen Techniken in Berührung brachte. Nicht selten wurden aus Sammlern Experten, die Gestaltung, Motive und Verbreitung von Briefmarken erforscht und beschrieben haben, wovon Unmengen philatelistischer Zeitschriften, Kataloge und Bücher zeugen. Nie wieder wurde ein solcher Umfang von Wissen über ein Medium von globaler Bedeutung ausschliesslich von Laien zusammengetragen. Intellektuelle Vorbehalte haben allerdings dazu geführt, dass die Philatelie keine wissenschaftliche Hilfsdisziplin geworden ist, die an Universitäten gelehrt wird wie Numismatik, Heraldik oder Papyrologie“ (Dieter Schöttker, 2018).

***) Leider haben so manche seriöse Postverwaltungen ab den 1960er- und 1970er-Jahren den „Hals“ nicht voll genug bekommen und steigerten den Umsatz durch höhere Auflagen samt Vermehrung des Markenangebotes mit oft hohen Nominal-Werten. Die Sammler machten das bis zu einem gewissen Punkt mit, aber nach Erreichung der Schmerzgrenze wandten sich viele Marken-Sammler anderen Objekten zu. Der Wechsel auf den €uro und die Ungültigerklärung der Marken vor 2001 [Österreich, Deutschland, Liechtenstein…] mit den alten Währungen führten und führen zu einem enormen Preisverfall, zumal nun viele Sammlungen auf den Markt geworfen wurden und werden. So manche „Aktie des Kleinen Mannes“ erreichte den Makulatur-Wert. Allerdings haben manche Staaten [Schweiz uneingeschränkt nach 1960, Italien ab 1967, Monaco & San Marino uneingeschränkt,  Frankreich seit 1849 ohne Abbildungen des Verräters Marschall Petain, Belgien ab 1961 für nationale Non-Priority-Briefe, Vatikan ab 1963, Russland ab 1993] viele Marken nicht entwertet, sodass man den Nominalwert noch heute zum Frankieren verwenden kann; bei Massenabgabe an Händler erhält man auch hier oft nur mehr 60 – 90%.             

 

 

 

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