Der Admiral hat recht

Wie war das damals? Die folgenden Infos sind von der Süddeutschen übernommen – geschrieben wurden die folgenden Zeilen von Stefan Kornelius

Nach russischer Lesart gab es eine Zusage an den sowjetischen Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow, dass sich die Nato nicht ausdehnen würde. Bis heute beharrt Russland auf dieser Deutung. Die Archive sind da längst weiter.

Es waren schicksalhafte Tage im Februar 1990 – Tage, die über Europas Sicherheit entschieden haben und bis heute auch Anlass für neue Unsicherheit geben. Wenn Russlands Präsident Wladimir Putin den Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze mit einer vermeintlichen Bedrohung durch die Nato rechtfertigt, dann kommt er stets auch auf diesen historischen Schlüsselmoment zu sprechen.

Putin selbst hat die Zeit in seinem Büro in der Dresdner Angelikastraße (nicht Angela-), dem KGB-Dienstsitz in Sachsen, erlebt. Aus seiner Perspektive demonstrierten die Massen auf dem Leipziger Ring, stürmten die Stasi-Büros und läuteten den Untergang der Supermacht Sowjetunion ein. Die Dresdner KGB-Dependance wurde verschont, aber für Putin waren die Erlebnisse traumatisch.

Der Vorwurf, erhoben vom heutigen Präsidenten, seinem Außenminister und einer langen Reihe russischer Würdenträger: Die Sowjetunion wurde 1990 vom Westen verraten, weil die Nato die wohl wichtigste Zusage mit Blick auf die Sicherheit nicht eingehalten hat: Die Atlantische Allianz, so die russische Lesart, würde sich niemals nach Osten ausdehnen, und selbst das vereinigte Deutschland würde niemals komplett Mitglied des Bündnisses werden.

Dieses Narrativ hat sich in die Köpfe der russischen Führung eingebrannt. Allein: Die Behauptung ist nicht richtig, die historisch belegbaren Zusagen und Verabredungen sind weitaus komplexer, die Debatte über eine europäische Sicherheitsarchitektur wurde lange nach dem deutschen Vereinigungsjahr weitergeführt.

Die Archive sind geöffnet, die Quellen verfügbar

Die Quellenlage darf inzwischen als reich bezeichnet werden: Die Archive der Regierungen Helmut Kohl, George Bush (USA) und Bill Clinton (USA) sind geöffnet, private Aufzeichnungen und Briefe der außenpolitischen Akteure wie Hans-Dietrich Genscher, Eduard Schewardnadse oder James Baker wurden veröffentlicht. Auch der letzte Sowjetführer, Generalsekretär Michail Gorbatschow, hat sich – angestiftet vom Beispiel Kohls – zur Veröffentlichung seiner Papiere entschlossen.

Niemand hat das Material gründlicher aufgearbeitet als die Historikerin Mary E. Sarotte, die gerade ihr drittes Buch zum Ende des Kalten Kriegs und über die 90er-Jahre aus sicherheitspolitischer Sicht veröffentlicht hat („Not One Inch“, Yale University Press). Sarotte wird gerne ihre amerikanische Staatsbürgerschaft als Parteilichkeit ausgelegt, aber der Vorwurf ist konstruiert – niemand hat sich mehr um historische Gerechtigkeit bemüht als sie.

So ist es ihr gelungen, die bedeutsamen Tage zwischen dem 6. und 25. Februar 1990 zu rekonstruieren, in denen Gorbatschow in die Vereinigung Deutschlands einwilligte. Gorbatschow tat dies in einem Gespräch mit dem damaligen Bundeskanzler Kohl in Moskau. Vorausgegangen waren Besuche der Außenminister Genscher und Baker in der sowjetischen Hauptstadt. Vor allem der Amerikaner Baker hinterließ in seinem Gespräch mit Gorbatschow am 9. Februar den Eindruck, dass ein vereinigtes Deutschland zwar Mitglied in einer „(politisch) veränderten Nato“ werden könne, deren Geltungsbereich aber „nicht ostwärts“ ausgedehnt würde (so festgehalten in seinen eigenen Notizen).

Das Weiße Haus war von dem Vorstoß des eigenen Ministers freilich überrumpelt und schickte noch am selben Tag einen Brief des Präsidenten an Kohl, in dem Bush einen „speziellen militärischen Status“ für Ostdeutschland vorschlug, ansonsten aber klarmachte, dass Deutschland insgesamt Mitglied der Nato werden müsse. Erweiterungsgedanken wurden damals überhaupt nicht erwogen – der Warschauer Pakt bestand noch ein Jahr länger.

Kohl kannte beide US-Positionen und konnte keinen Zweifel an der Entschlossenheit Bushs hegen, als er im entscheidenden Gespräch mit Gorbatschow am 10. Februar die mündliche Formulierung wählte, dass „sich die Nato natürlich nicht auf das Territorium Ostdeutschlands ausdehnen“ werde. In diesem Gespräch erhielt Kohl die Zusage Gorbatschows zur Vereinigung. Gorbatschow stand natürlich unter dem Eindruck der Zusicherung Kohls, musste aber auch gewusst haben, dass der deutsche Bundeskanzler keine Entscheidung im Namen der gesamten Nato treffen konnte.

Kohl räumte Zweifel mit ein paar Milliarden aus

14 Tage später, während eines Treffens Kohls mit Bush auf dem Landsitz des amerikanischen Präsidenten, Camp David, relativierte Kohl seine Aussage und widersprach dem US-Präsidenten nicht, der sagte: „Zur Hölle damit. Wir haben uns durchgesetzt, nicht sie.“ Kohl, ganz Pragmatiker, hatte längst die größten Nöte Gorbatschows erkannt, dem sein Land ökonomisch zu kollabieren drohte. Deutschland offerierte der Sowjetunion Milliardenhilfen, deklariert als Finanzierung des Truppenabzugs aus der DDR.

Gorbatschow selbst, so lassen sich seine Aufzeichnungen interpretieren, wurde nie primär von sicherheitspolitischen Überlegungen geleitet. Er beharrte nie auf einer Verschriftlichung der mündlichen Aussagen Bakers oder Kohls. Im Gegenteil: Nachdem sich Bushs Lesart durchgesetzt hatte und sie in einem ausführlichen Telegramm an den französischen Präsidenten vom April quasi dokumentiert wurde, schlug er noch eine paneuropäische Sicherheitsarchitektur unter Führung der Nato vor. Er ging sogar so weit, im Mai eine Mitgliedschaft der Sowjetunion ins Spiel zu bringen.

Rechtlich bindende Zusagen oder gar Verträge über die Rolle der Nato nach der Vereinigung hat die Sowjetunion also nie angestrebt. In den Verhandlungen über die Außenpolitik der deutschen Einheit (Zwei-plus-Vier-Gespräche) taucht das Thema nicht mehr auf. Es bleibt die Grauzone, die mündlich in den Tagen zwischen dem 8. und 25. Februar geschaffen wurde.

Soweit der Beitrag von Stefan Kornelius!

Ja, und jetzt sprechen wir über die Handschlagqualitäten der beteiligten Partner: Gorbatschow in seinem Riesenreich stand das Wasser bereits über den Hals hinaus. Das Wettrüsten während des Kalten Krieges liess die Sowjetunion wie ein Tier im Schlachthof ausbluten. Er war froh, dass er eine Kapitalspritze aus Deutschland bekommen sollte; da war er zu vielen Zugeständnissen bereit und er vertraute auf die Ehrlichkeit der deutschen Verhandler. Es war letztlich eine Vereinbarung zwischen Kohl und Gorbi, wie er mittlerweile liebevoll genannt wurde. Baker war US-Aussenminister und bei seinem Besuch gemeinsam mit Genscher am 9.2.1990 in Moskau wurde dort mündlich (Video) zugesichert, dass sich die Nato nicht Richtung Osten ausdehnen werde. Am 10.2.1190 kam dann die Vereinbarung Kohl – Gorbatschow zustande, dass DDR & BRD zu Deutschland werde und die Nato sich nicht Richtung Osten ausdehne.

Dass diese Vereinbarungen Baker – Gorbatschow und Kohl – Gorbatschow dem damals amtierenden US-Präsidenten und seinen Falken im Weissen Haus nicht passten, wohlgemerkt – nachträglich nicht passten, ist wohl auf ein anderes Blatt Papier zu schreiben. Niemand kann glaubhaft annehmen, dass der Herr Aussenminister Baker keinen Auftrag hatte, eine Vereinbarung in Moskau zu treffen – vielleicht wie ein unseriöser Vertreter, dem man mündlich eine Bestellung ausspricht und der dann wohl wissend das doppelte liefert, um dafür mehr Provision einzustreichen. Unterschreibe nichts, gestehe alles zu, wir verhandeln nach oder machen einfach später, was wir wollen – sprich zur Hölle damit. Und Kohl schwieg, Deutschlands trennende Mauer war schon durchlöchert, Kohl ein Held – und wir können nur vermuten, dass er in das niederträchtige Spiel eingeweiht war. Gorbatschow war jedenfalls der Verlierer.

Die weitere Geschichte ist bekannt: die „befreiten“ Pufferstaaten Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien strebten eine Nato-Mitgliedschaft an, obwohl ihnen Neutralität besser gestanden wäre. Nach der Krimkrise wurden Russland aus der Gruppe der G8 ausgeschlossen, fortan waren es G7.

Der Vize-Admiral, gleichzeitig Chef der Deutschen Marine, Kai-Achim Schönbach, meinte man müsse Russland und seinem Präsidenten mit Respekt gegenübertreten. Daraufhin wurde er seines Postens enthoben und versenkt.

Nun könnte man das durchaus tun (und Respekt haben); es kostet nichts und letztlich ist Moskau näher als Washington. Deutschland ist zwar immer noch besetztes Land ohne Friedensvertrag, in dem man von Ramstein aus einen Krieg gegen Terroristen führt – umso mehr müsste man einem Land Respekt zollen, das es geschafft hat, sich zu emanzipieren, meint

der Brandstetter

Ergänzung vom 07.02.2 – hier wäre eine Gebrauchsanleitung für die Politiker dieser Welt. Überaus informativ ist ein Dossier der Kooperation für den Frieden!

Ausschnitte aus Ansprachen Putins in chronologischer Reihenfolge:

Putin 2001 im deutschen Bundestag: Eine der Errungenschaften des vergangenen Jahrzehnts war die beispiellos niedrige Konzentration von Streitkräften und Waffen in Mitteleuropa und in der baltischen Region. Russland ist ein freundlich gesinntes europäisches Land. Für unser Land, das ein Jahrhundert der Kriegskatastrophen durchgemacht hat, ist der stabile Frieden auf dem Kontinent das Hauptziel.

Putin Münchner Sicherheitskonferenz 2007: Aber was geschieht zur selben Zeit? In Bulgarien und Rumänien entstehen so genannte leichte amerikanische Vorposten-Basen mit jeweils 5.000 Mann, Das bedeutet, dass die NATO ihre Streitkräfte immer dichter an unsere Staatsgrenzen heranbringt, und wir, die wir uns streng an den Vertrag halten, in keiner Weise auf dieses Vorgehen reagieren.

Putin UNO 2015: Es genügt, auf die Situation im Nahen Osten und in Nordafrika zu schauen. Gewiss, die politischen und sozialen Probleme häufen sich in diesen Regionen seit Langem und die Menschen wollten Veränderungen. Doch was passierte in Wirklichkeit? Eine aggressive äussere Einmischung führte dazu, dass anstelle der Reformen die staatlichen Institutionen und die Lebensweise der Menschen rücksichtslos zerstört wurden. Statt des Triumphs von Demokratie und Fortschritt gab es Gewalt, Armut und soziale Katastrophen, während die Menschenrechte, einschliesslich des Rechts auf Leben, keinen Wert mehr haben.

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