Tierversuche

© Clemens M. Brandstetter

Ausnahmsweise will ich heute über ein sehr ernstes Thema sprechen: ernst deshalb, weil wir den Tieren millionenfach täglich weh tun: Affen, Kaninchen, Ratten, Mäusen, Fischen, Fliegen, Mehrzeller. Alle sind sie Lebewesen und sie werden für Tierversuche verwendet. Aus ethischen Gründen dürfen ja keine Menschenversuche gemacht werden – obwohl, da drauf will ich später noch zu sprechen kommen. Was ich nie verstanden habe, ist, dass man auf der ganzen Welt die selben Versuche immer wieder macht – etwa versucht man, ob eine bestimmte Substanz die Augen reizt, damit, wenn wir uns duschen, wir von dieser Substanz keinen Rote-Augen-Effekt bekommen. Dieser Versuch, nennen wir sie "Substanz A" wurde in Wien, Paris, London, New York, Moskau und Tokio schon in verschiedenen Konzentrationen und in verschiedensten Zeitintervallen durchgeführt und morgen leiden Tiere in Zürich, weil etwa ein Schweizer Unternehmen ein Labor beauftragt hat, dies zu testen. Gäbe es eine zentrale Datenbank, könnte man dort die Werte abrufen. Gibt es aber nicht, und die Schweizer würden es so wie so nochmals testen, denn die haben ja eigene Gesetze und eigene Materialprüfanstalten- und vorschriften, weil die halt nicht bei uns in der EU mit dabei sind. Die bürokratischen Hürden für die Verwendung von Daten aus einer solchen – geeichten – Datenbank müssten so niedrig wie möglich gehalten werden – tut man aber angeblich nicht.

Der Contergan-Skandal bewirkte ein Umdenken bei den Versuchen: damals musste man nur die Qualität der Herstellung und die Unbedenklichkeit nachweisen, nicht aber die therapeutische Wirksamkeit mittels Studien (und Tierversuchen). Nach dem Skandal wurden die Rahmenbedingungen verschärft. Heute – da es in vielen Ländern Europas einen politischen Grün-Ruck gegeben hat, fordern die Regierungen eine Reduzierung zwischen einer wesentlichen Vermeidung bis zu einem Verbot der Tierversuche. Rund 2 Millionen Tiere werden jährlich alleine in Deutschland für Tierversuche verwendet. Die Tiere werden nicht der Natur entnommen, sondern werden eigens von Firmen dafür gezüchtet. Eigentlich ist es ein Parallelvorgang zur Zucht von den Millionen Tieren, die bei uns im Kochtopf landen, wobei anzumerken ist, dass die für die Wissenschaft gezüchteten Tiere in einer Umgebung erster Güte aufwachsen, während die Tierzucht- und Mastbetriebe es nicht immer so genau nehmen müssen mit der Lebensqualität für die Tiere, und das von deren Geburt bis zum Tode. Dazwischen werden die Tiere mit Medizin vollgestopft, damit sie die Zeit bis zum Schlachten überhaupt überleben können. Dennoch guten Appetit beim nächsten Hähnchen!

Bemerkenswert ist, dass ab 1933 Tierversuche im Dritten Reich verboten waren. Höchststrafe war ab diesem Zeitpunkt die Verbringung in ein Konzentrationslager. Dies wurden zum damaligen Zeitpunkt von Herrn Hermann Göring proklamiert. Dass damals Menschenversuche in eben diesen KL gemacht wurden, wissen wir heute. Was allerdings immer wieder verschwiegen wird, ist die Tatsache, dass auch nach dem 1.000jährigen Reich noch Menschenversuche gemacht wurden. Nachdem etwa die Enola Gay ihre einzige Bombe abgeworfen hatte, entliessen bald darauf andere Flugzeuge Messgeräte, um die Werte zu messen, die durch die Explosion entstanden waren. Parallel zu den amerikanischen Hilfen in Japan ging es auch die Auswirkungen der Strahlung auf Menschen zu untersuchen. Man wusste ja, dass es eine "Strahlenkrankheit" gibt, Madame Curie gab Zeugnis ebenso wie Monsieur Becquerel. Dass man nun in Japan ein grosses Forschungsfeld aufgetan hatte, wird heute vielfach verschwiegen. Nach der Uran-Bombe wollte man noch wissen, wie sich eine Plutonium-Bombe auswirkt. Die Bevölkerung von Nagasaki fungierte als Versuchsmenschen. 

Leider gibt es zu allem eine Steigerung. Nach den Hunderttausenden Strahlenopfern gab es nach dem Besprühen des vietnamesischen Urwalds mit 180 Millionen Litern Entlaubungsmittel – darin über 400 Liter Dioxin – welches "Akne erregend" ist, Millionen Tote und Hunderttausende Behinderte (Brief von Boehringer Ingelsheim an Dow Chemicals vom 17.XII.1964 – siehe auch Spiegel No 48/1992 p. 36 ff (Dioxion – was wusste Weizsäcker). Denn, wenn man einen Krieg schon nicht gewinnen kann, dann soll das Land für dieses Volk zumindest auf Jahrzehnte zerstört sein. Die Amerikaner handelten danach; die Militärs, allen voran General Curtis E. LeMay "bombten Vietnam zurück in die Steinzeit". Übrigens die Geschichte des Vietnamkriegs ist bemerkenswert; er kam überhaupt erst durch Lügen in Gang und sein Ende wurde von einem einzigen Mann mit Rückgrat, Daniel Ellsberg, erzwungen. Sehen Sie sich dazu den Arte-Film an. Tatsache ist, dass nach dem Vietnamkrieg die wissenschaftliche Forschung rund um den Kampfstoff Agent Orange bis in die heutige Zeit anhält – hier die Erklärung von Dow Chemicals. "Was für die Generäle nichts weiter war als die kostengünstige Desinfektion einer Nation, erweist sich für die internationale Chemie als aufschlußreicher Großversuch. 10 Millionen Menschen auf 2,2 Millionen Hektar mit 15 verschiedenen Herbizid-Cocktails zu besprühen, das bringt viele neue Erkenntnisse… Drei Jahrzehnte zu lang konnte das Dioxin wuchern, geschützt durch ein Kartell des Schweigens, durch diese seltsame Allianz von Dow Chemical bis Boehringer, von Lübke bis Weizsäcker, von Kennedy bis Reagan, von Chemie bis Politik, von Kalkül bis Leichtsinn." (Spiegel No 32/1991). 

Wir wünschten uns – gerade in der heutigen unruhigen Zeit – Zeitungen mit Rückgrat und keine Presse, die sich selbst gegen den Begriff "Lügenpresse" wehren muss….

meint Clemens M. Brandstetter   

 

Nachsatz: Florian Mehnert, Künstler, hat ein bemerkenswertes Experiment ins Internet gestellt: die Nutzer des Internets können sich auf seine Seite klicken und dort per Mausklick eine Ratte erschiessen – somit müsste es eigentlich Rattenklick heissen. Die Welt der Tierschützer heulte auf, tausende protestierten, obwohl der Ratte kein Haar gekrümmt wird. Pfui, sagt der Brandstetter da, denn Menschenklicks sind erlaubt – die US-Militärs und wahrscheinlich auch andere löschen mit Hilfe von Drohnen und "Menschenklicks" Leben aus, Leben in Pakistan, Afghanistan und anderswo, wo halt die "Bösen" zum Abschuss frei gegeben sind. Dieser Florian hat zwar irgendwie das Milgram-Experiment kopiert, aber er verdient dennoch unsere Hochachtung, denn er zeigt die Verlogenheit unserer Gesellschaft auf. Danke Florian!  

                

Written by

No Comments Yet.

Leave a Reply

You must be logged in to post a comment.

Zurück nach Oben!