Hämann wid Fünfta

Diese Worte plärrte es unlängst aus dem TV anlässlich einer Sportsendung, in der es um den Bezwinger der Weltmeere ging: Boris Herrmann. Zuletzt hatte der Weltumsegler Pech, denn wahrscheinlich hatte ein Fischer sein Fischerboot durch Ausschalten des Autoresponders für die Warnanlagen von Segel-Boris unsichtbar gemacht. Die Meere sind zwar riesig und es wäre Platz für alle, aber der Teufel schläft nicht. Statt strahlender Sieger, wurde Boris – wie es heute in Neudeutsch, manche sagen auch Kanakendeutsch oder auch Deppendeutsch – Fünfta. Boris liess sich aber die Freude nicht nehmen, umarmte seine Lieben und genoss sein erstes Bier an Land – eine tolle Leistung! Im Gegensatz zu eben jenem Sportreporter, der offensichtlich lange von Lebensmitteln entwöhnt, sich von Buchstaben und Silben ernährt. Vielleicht ist es auch eine Post-Corona-Diät – nehmen Sie ab, wie liefern Buchstaben und Silben – 10 Kilogramm in wenigen Wochen – zurückzuführen. Es wäre ein Gag, wie man heute sagt – allerdings wie so viele Diäten, wäre auch diese völlig wirkungslos: man transferiert Geld vom eigenen Sack in die Säcke von gewieften Säcken, Geld weg, Silben weg, Buchstaben weg, nur die Kilo bleiben…

Gestern kam eine bemerkenswerte Sendung im ORF: Kinder, Jugendliche, Schüler und Studenten bekommen ob der Isolation durch die Covid-19-Einschränkungen Ess- und Verhaltensstörungen, manche denken angeblich an Selbstmord. Und eine Horde von Psychologen, Lebensberatern und Seelenklempnern kommen mit ihrem Service nicht mehr hinterher. Die Warteschlagen vor deren Praxen haben sich verdreifacht. Das wäre eine Marktlücke für die Soloselbständigen – Lebensberatung kann jeder – Vater und Mutter müssen es täglich machen, damit es den Sprösslingen in ihrem Wohlstand nicht langweilig wird. Interessant ist es, dass man heute in etablierten Vereinskreisen darüber klagt, dass es keinen Nachwuchs mehr gäbe. Jugendliche seien zu sehr – vor allem durch ihre Händies – abgelenkt. Nun könnte man daraus folgern, dass das was bei diesen Geräten herauskommt, so viel Unsinn ist, dass die Nutzerinnen und Nutzer nur eines bleibt: der Weg zum Seelenklempner! Jörg Haider hatte vor Jahren einmal – allerdings in anderem Zusammenhang – von einem Beschäftigungsprogramm gesprochen. Er wurde dafür gegeisselt, eben wegen des anderen Zusammenhangs. Aber ein Beschäftigungsprogramm kann doch auch ohne Stacheldraht, Wachtürme und Prügel auskommen – wenn Jugendlichen langweilig ist, dann könnten sie doch vieles anderes machen: Sport, Spazieren, mit dem Händy fotografieren, und sogar einen Freund oder eine Freundin treffen. Aber weil die wahrscheinlich tausende Freunde im Netz haben, die ebenso gelangweilt sind, fällt die Auswahl auf einen oder eine einzige schwer. Langweile ist da die Alternative und die Warteschlange und die Lebensberatung. Man könnte aber auch mit anderen Leuten sprechen, mit Mundschutz natürlich und mit An- und Abstand. „Wie war das Frau Meyer 1945, nach dem Krieg und zur Zeit des Wirtschaftswunders; war Ihnen da auch langweilig, Frau Meyer?“ Und Frau Meyer wird ob der Fragen und der Zeit, die man ihr geschenkt hat, erfreut sein, und ihrem Mann daheim erzählen, dass sie heute eine liebe Studentin getroffen habe, die sich für sie interessiert habe – die Jugend von heute ist nicht so schlecht, wie es immer wieder behauptet wird, sagt sie. Allerdings ist Herr Meyer gerade mit seiner Briefmarkensammlung beschäftigt und er hört seiner Frau nur mit einem Ohr zu und kommentiert sinngemäss: mir ist nie langweilig, mein Tag sollte 72 Stunden haben. Frau Meyer könnte nun sagen, mein Mann hört mir nie zu – und sich auch zu einem Seelenklempner begeben, weil ihr niemand zuhört – aber dort stehen ja die vielen Jugendlichen vor der Tür, die in ihre Händies starren, deren Gesichter vom Blau des Händyscheins fahl aussehen und denen verdammt langweilig ist und Tausend Freunde einfach zu viel sind.

Es scheint so zu sein, dass Wohlstand und vermeintliche Perspektivlosigkeit der Feind der Jugendlichen sind. Dabei betätigen sich die Eltern permanent als Helikopter, umfliegen und umsorgen die Kinder, räumen ihnen jedes Hindernis auf dem Weg zum Erwachsen werden aus dem Weg. Allerdings fordern sie als Gegenleistung Spitzenleistungen in Schule und Studium – und – viele Jugendliche werden dabei überfordert. Das frustriert alle: Papa, Mama, Kind. Was möchtest Du eines Tages werden, ist die Frage von Tantchen und Opa, wenn die Nachgewachsenen im diesbezüglich ansprechbaren Alter sind: Pilot, Rennfahrer und Mannequin. Leute, so geht das nicht – als Pilot bist du jetzt in Kurzarbeit und Rennfahrer gibt es genug. Gute Rennfahrer gibt es wenige, aber da wäre es doch besser zunächst zu lernen, wie ein Motor funktioniert, so als Automechaniker und wer das Zeug dazu hätte, kann auch Autotroniker werden, oder Autelektriker, denn irgendwer muss das ganze System am Leben erhalten, analysieren, reparieren, Ersatzteile beschaffen, und wenn es die nicht gibt, auch einmal kreativ sein und nach Ersatzlösungen suchen. Aber Papa und Mama wollen, dass es den Kindern einmal besser geht: Gymnasium, Studium, Schönheitschirurg. Da kann man Kohle machen, schau Dir Onkel Albert an: Segeljacht, Porsche, mehrmals Urlaub im Jahr und zwei Kinder, die in der Schule allerdings sehr gut sind [haben Sie den Unterton bemerkt: nicht so wie Du…]. Der Weg zum Seelenklempner ist vorprogrammiert – allerdings wie vor erwähnt, es wäre eine Marktlücke – in zwanzig Jahren wäre jeder Seelenklempner, jeder könnte den anderen heilen, beratschlagen [man lasse sich den Begriff Ratschlag auf der Zunge zergehen…] und schon lebten wir in einer besseren und heilen Welt – aber halt erst in zwanzig Jahren, meint…

…der Brandstetter [Häzlich willkommen beim Wätta ist die nächste Sendung – da ist es nun Zeit abzuschalten – und glaubt auch nicht immer alles was die Wetterfritzen erzählen…]. Beisewei: habt Ihr schon die neueste Kreation der deutschen Wortemacher mitbekommen: die Schalte. Man telefoniert nicht mehr, sondern errichtet eine Schalte. Dabei ist die Verbindung hundselendig aber in Zeiten wie diesen sind auch Verbindungen infiziert und die Sender denken mehr über neue Wortkreationen nach als über die Verbesserungen beim Telefonieren. Kein Wunder, dass die Schalte zwischen Lära und Schüla nicht so erfolgreich ist, wie die Zeiten es erfordern würden…

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