Essigfliegen

© Clemens M. Brandstetter

Immer, wenn die Essigfliegen auftauchen wird es Herbst. Sie begleiten unser Obst im Haus bis in die letzten warmen Tage des frühen Winters; erst wenn es draussen frostig wird, verschwinden sie ebenso plötzlich, wie sie aufgetaucht sind. Allerdings bringen sie uns in der Zeit ihrer Anwesenheit auf die bekannte Palme und treiben uns fast zum Wahnsinn. Ein offen stehendes Glas mit Saft oder gar eine Weinflasche wird sofort bevölkert und die betrunkenen Biester fallen kopfüber in die köstliche Flüssigkeit, die dann keinen köstlichen Anblick mehr bietet. Dass die Gattung Drosophila, wie die wenigen Millimeter grossen Fliegen wissenschaftlich heissen, als erste ihre DNS-Struktur preisgegeben haben, interessiert in diesem Moment niemanden. Sie wurden auch als Versuchstiere verwendet, da sie sich schnell und problemlos vermehren und einen für die Wissenschaft vorteilhaften Modellorganismus bieten.

All diese Vorteile für die Wissenschaft tangieren die Hausfrau und den Saft-, Most- und Weintrinker nicht wirklich – ihre Frage lautet ausnahmslos: wie werde ich die Tiere wieder los. Einerseits ist es die Natur selbst, die die Biester verschwinden lässt, denn niedrige Temperaturen vertragen diese Fliegen nicht. Obst abdecken ist zwar eine Lösung, allerdings können die Fliegen durch kleinste Zwischenräume durch und vermehren sich dann innerhalb der Abdeckung. Und wer denkt immer ans das Abdecken eines Glases?

Eine Variante bietet, die friedliche Koexistenz: vereinbart wird mit den Tieren, dass sie sich an einer kleinen Flasche mit Wein, dem ein paar Tropfen Essig zugesetzt werden, vergnügen dürfen. So hält man sich die Plagegeister vom Leib,  bis die sich nicht mehr an die Vereinbarung erinnern wollen, weil sie es auf einen reifen Apfel in der Obstschale abgesehen haben. 

Aus diesem Grunde kann man sie nur gnadenlos jagen, allerdings macht das viel Mühe und führt zu Kollateralschäden in Form von Scherben durch Schläge oder eigener Vergiftung mittels eines handelsüblichen Sprays. Der Autor hat selbst Essigfliegenfallen ausprobiert. Dies sind dekorative Glasflaschen mit einem grossen nach Innen gewölbten Boden mit einem Loch im Zentrum. In diese wulstige Wölbung wird Wein mit ein paar Tropfen Essig und Seife gegeben – diese nimmt der Flüssigkeit die Oberflächenspannung – und dann kann man getrost warten, denn die Fliegen fallen nach dem Alkoholexzess kopfüber in die Köderflüssigkeit und sterben dort vermutlich einen schönen Tod.

Es gibt weit über eintausend Essigfliegen-Arten, die meist vorgefundene ist Drosophila melanogaster Meigen 1830 (Abb. 1), die Schwarzbauchige Essigfliege. Allerdings gibt es auch einen Zuzug aus Ostasien, Drosophila suzukii (Matsumura 1931) – die sogenannte Kirschessigfliege (Abb. 2). Sie befällt in riesigen Populationen auch andere Früchte: Äpfel, Birnen und vor allem Weintrauben. Aufgrund der kurzen Generationenfolge ist sie schwer bekämpfbar und fügt der Landwirtschaft schwere Schäden zu. Gift sollte nicht eingesetzt werden, weil ja reife Früchte knapp vor der Ernte stehen, allerdings geht in Wirklichkeit Wirtschaftlichkeit vor.

Abb.1: Drosophila melanogaster Meigen 1830 aus der Provinz Mailand (Foto: Carlo Bonardi)

Abb. 2: Drosophila suzukii (Matsumura 1931) aus Nord-Italien (Foto: Carlo Bonardi).

       

 

                               

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