Tacheocampylaea

© Alessandro Margelli & Clemens M. Brandstetter

Lassen wir eingangs Karl Holdhaus (1924) zu Worte kommen: „Bezüglich der Molluskenfauna bilden Korsika und Sardinien ein untrennbar zusammenhängendes Gebiet. Ziehen wir die überall verbreiteten Arten, die besonders auf Sardinien vollzählig aufgefunden sind, und die Küstenfaunula ab, so bleiben auf beiden eine Reihe von Arten oder Artengruppen, die teils identisch sind, teils so nahe verwandt, daß sie den gemeinsamen Ursprung nicht verleugnen können. In erster Linie steht die Untergattung Tacheocampylaea, welche völlig auf die beiden Inseln beschränkt, aber auf beiden trotz aller Ähnlichkeit verschieden entwickelt ist, so daß keine Art auf beiden zugleich vorkommt; Korsika hat mehr Arten und mannigfaltigere Formen, als das größere Sardinien. Man hat die Untergattung der habituellen Ähnlichkeit und der Lebensweise nach stets zu Campylaea gestellt und für einen aberranten Zweig dieser Alpen-Charaktergattung gehalten, aber die anatomische Untersuchung ergibt eine so totale Verschiedenheit von derselben, daß von einer Ableitung keine Rede sein kann. Auch fossile Vorfahren sind nicht bekannt, die Gruppe muß also vorläufig ein Rätsel bleiben, bis uns ein glücklicher Zufall aufklärt. Die Tacheocampyläen sind übrigens in Sardinien auf den östlichen Gebirgszug, die direkte Fortsetzung des korsikanischen Hochgebirges, beschränkt.“ – Heute wissen wir mehr, aber nicht alles. Wir haben versucht, hier den heutigen Wissensstand zusammenzufassen.

Die älteste Darstellung einer Tacheocampylaea aus Sardinien (Dioscorides Pedacius 940-960): „It is in the Pierpont Morgan Museum Library, and is one of the copies of  De materia medica. This manuscript contains several parts besides the Dioscoridean herbarium, one of which is [translated from Greek] ‘On living things’ and is presumed to have been originated in Constantinople. On f. 207v of that part, we find pictures of crabs, hermit-crabs in sea shells (Cerithium sp.) and two land snails directed to the right. Of the latter, only the one figured at the right-hand side is complete, the other lacking the head of the animal. The complete one is a dark-brown animal, with two sets of tentacles, two larger and two smaller; the shell is beige tinted, with three darker radial bands, and has nearly five whorls. The skilfulness of these illustrations, already noted by Theodorides (1971), has led Kádár (1978) to believe that a Helicigona species has been illustrated here [p. 56, 61]. The text of Dioscorides has later been translated in various other languages and mentions both Libya, Sardinia, Sicily and Greek islands. Berendes (1902) annotated [p. 155-156] “Welches die Meer-, Fluss- und Feldschnecken des D. [Dioscorides] sind, dürfte sich bei der Menge der Arten schwer bestimmen lassen”. When I showed this picture to Eike Neubert, expert in Mediterranean land snails, he suggested this to be a Tacheocampylaea species from Sardinia. This is now regarded the oldest, identifiable land snail illustration.“ – Text adapted from „hunting for snails„. Gerhard Falkner meint, dass es sich um die Darstellung von Zonites handelt.

Die Gattung Tacheocampylaea gehört zu den Landlungenschnecken und kommt nur auf drei Inseln im thyrrhenischen Meer vor: Capraia, Korsika und Sardinien (Abb. 1). Am besten zusammengefasst wurde die Gattung bisher von Margelli (2013). Die Tiere leben im verborgenen unter Steinen und erscheinen nur in der Nacht, um Nahrung oder einen Partner zu suchen. Sie sind streng geschützt, unterliegen aber wie viele andere Tiere dem Expansionsdruck jener Spezies auf unserem Planeten, der sich am rücksichtslosesten ausbreitet: dem Homo sapiens. Die Gefährdungsursachen sind vielfältig: Siedlungs- und Strassenbau; die sich in den letzten Jahren öfter wiederholenden Feuersbrünste, die oft wissentlich gelegt werden, um Bodenspekulationen betreiben zu können; Landwirtschaft: insbesondere in Sardinien werden Hänge in von der EU geförderte Weinbaugebiete umgewidmet: Eintönigkeit folgt der Biodiversität. Nicht zu vergessen sind die auf Korsika und Sardinien frei umherlaufenden Hausschweine, die sich teilweise mit Wildschweinen paaren. Oft findet man aufgerissene Oberflächen in Waldgebieten

Abb. 1: Capraia (A), Korsika, Sardinien: Inseln mit Tacheocampylaea-Funden (Quelle: Google-Maps)

Wer schon einmal eine dieser Inseln besucht hat, weiss, dass der geologische Aufbau aus sardisch-korsischem Batholith besteht (Abb. 2, 3) und somit den Gehäuse bildenden Schnecken nicht als Baustoff für deren Bildung zur Verfügung steht, da die Schneckenhäuser aus Kalk aufgebaut sind. Zur Geologie Sardiniens verweisen wir auf die umfangreichen Informationen in „SARDINIEN 2002“ Auslandsexkursion des Geologischen Institutes der TU Bergakademie Freiberg (10.-27.09.2002).

Abb. 2: Beispielbild aus Korsika – Bonifacio, La Trinità – Foto: C.M.Brandstetter.

 

Abb. 3: Beispielbild aus Sardinien – Umg. Bortigiadas – Foto: C.M.Brandstetter.

 

Abb. 4: Beispielbild von Capraia – Hafen – Foto: Alessandro Margelli


Im Laufe der Evolution haben sich die Schnecken den Gegebenheiten anpassen müssen und sie nehmen die für die Gehäusebildung notwendigen Kalkbestandteile über Pflanzenreste und Pflanzen auf, denn auch die Pflanzen benötigen für ihr Wachstum mineralische Bestandteile (siehe Baar 1973). 

Wir wollen hier die Betrachter der Seiten für eine Gattung der Gehäuse-Landschnecken sensibilisieren, die auf allen drei Inseln einem enormen Druck ausgesetzt sind, einem Druck – zusammengesetzt aus verschiedenen Gefährdungskriterien. Am radikalsten sind natürlich die Wald-und Buschbrände, intensive Landwirtschaft und Siedlungs- und Strassenbau.

Abb. 5: Busch- und Waldbrände zerstören jährlich geschützte Flächen – Foto: Sarah Gregg

 Abb. 6: Nach der die Feuersbrunst, bleibt nur verbrannte Erde – Foto: Sarah Gregg


 

Eine weitere Bedrohung der Molluskenfauna auf den Inseln sind die frei umherlaufenden Hausschweine, die offensichtlich auch teilweise vererbtes Blut der Wildschweine in sich haben. Sie sollten aus den Schutzgebieten ausgesperrt werden.   

Abb. 7: Zwei „Hausschweine“ im Parco Nazionale del Golfo di Orosei – Foto: C.M.Brandstetter.

Abb. 8: Eine Rotte Wildschweine im Gelände – Foto: Andrea Boscherini.

 

   

Abb. 9: Beispielbild für intensive Bearbeitung durch Wildschweine – Foto: Maurizio Caprari.

 

 

Die Französische Checkliste (Falkner & al. 2002, Gargominy & al. 2011 ) deutet an, dass in der Nähe von Corte eine weitere Art zu beschreiben ist.

 

 


  Link zu den Arten der Insel Korsika

  Link zu den Arten der Insel Sardinien

  Link zu den Arten der Insel Capraia


Literatur:

Baar Z. 1973: Über das Fehlen von Schnecken auf magmatischen Gesteinen in Israel. – Mitt. dtsch. malak. Ges. 3 (26): 91-93. 

Berendes J. 1902: Des Pedanios Dioskurides aus Anarzarbos, Artzneimittellehre, in fünf Büchern: 1–572. – Ferdinand Enke, Stuttgart. 

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Delmas P. 2012: Chargé d’études CPIE Corte Centre Corse. – Chargé d’études CPIE Corte Centre Corse.

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Falkner G., Falkner M. & T. von Proschwitz 2011c: Tacheocampylaea raspailii. – In: IUCN 2013. IUCN Red List of Threatened Species. Version 2013.2. <www.iucnredlist.org>. Downloaded on 05 June 2014.   

Falkner G., Falkner M. & T. von Proschwitz 2011d: Tacheocampylaea romagnolii. – In: IUCN 2013. IUCN Red List of Threatened Species. Version 2013.2. <www.iucnredlist.org>. Downloaded on 07 June 2014.

Falkner G., Falkner M. & T. von Proschwitz 2011e: Tacheocampylaea tacheoides. – In: IUCN 2013. IUCN Red List of Threatened Species. Version 2013.2. <www.iucnredlist.org>. Downloaded on 07 June 2014.

Falkner G., T. von Proschwitz. & M. Falkner 2011f: Tacheocampylaea cyrniaca. – In: IUCN 2013. IUCN Red List of Threatened Species. Version 2013.2. <www.iucnredlist.org>. Downloaded on 05 June 2014

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